Der Staatsanwalt Brunke ist eine der markanten Figuren dieses Prozesses. Der angeklagte Aktivist sei Teil einer „Klimaextremistenszene“ heißt es in der Anklageschrift. Und an anderer Stelle, in einer Verfügung, schreibt er über Gradl: „Er ist meines Erachtens weiterhin zeitnah dem Strafvollzug zuzuführen“. Zudem handelten die Aktivist*innen „mit erheblicher rücksichtsloser krimineller Energie“
Gezeigt haben soll sich diese „ihnen eigene [ ] spezielle [ ] Gewalt“ auch in den hier verhandelten Aktionen: Einem Protest bei der IG Metall, wo Transparente aufgehängt und Säulen mit abwaschbarer Farbe angemalt wurden. Einer teil-gescheiterten Kletteraktion an einer Brücke in Wolfsburg im Rahmen eines Klimacamps und einer Aktion gegen das VW-eigene Kohlekraftwerk auf den Schienen des Kraftwerks.
Doch bis es im heutigen Prozesstag zur Beweisaufnahme kam, dauerte es eine Weile. Zunächst verzögerte sich der Beginn aufgrund umfangreicher Einlasskontrollen und großem Publikumsinteresse. Die Verhandlung war zwar im „großen Saal“ angesetzt, aber auch dort standen nicht genug Stühle, weitere hinzustellen wurde vom Gericht verweigert.
Doch die eigentliche Farce sollte erst noch beginnen. Zu Beginn der Verhandlung wollte der Angeklagte einen Antrag auf Zulassung einer Laienverteidigung stellen. Das Gericht stellte sich jedoch auf den Standpunkt, dies sei vor Verlesung der Anklageschrift nicht zulässig. „Eine vollkommen widersinnige Rechtsauffassung“ nennt das die später zugelassene Laienverteidigerin Hanna Poddig. Und auch die Pflichtverteidigerin bemühte sich, dem Gericht zu erklären, warum es falsch lag. Spätestens als sie beantragte, die Weigerung des Gerichts den Antrag auch nur entgegenzunehmen ins Protokoll aufzunehmen, wurde überdeutlich, dass die Protokollkraft bis zu diesem Moment nichts der Auseinandersetzung mitgeschrieben hatte. Die folgenden Debatten waren kafkaesk: Das Gericht weigerte sich, Anträge anzunehmen und wirkte begriffsstutzig. Doch statt diese Vorgänge zu skandalisieren schreibt beispielsweise die Braunschweiger Zeitung, die Anwältin habe das Verfahren torpediert, der Richter stoische Ruhe bewahrt. Und dass der Staatsanwalt schließlich zu einem Zuschauer sagte „In der JVA lachen Sie nicht mehr“ sei nur die Reaktion auf das Verhalten des Publikums.
Auf Betreiben des Staatsanwaltes wurde außerdem ein akkreditierter Journalist mit Würgegriffen aus dem Saal gezerrt. Grund dafür war, dass er es gewagt hatte, den Justizwachtmeistern contra zu geben, die in den Pausen das Publikum in Komptenzüberschreitung maßregelten sowie zwei Personen unter Drohung mit Zwang des Saales verwiesen.
Nach Verlesung der Anklage äußerte sich der Angeklagte zu seinen Motiven. Er sprach von der dringend notwendigen Konversion der Auto-Betriebe und warum es doppelt fatal ist, wenn Firmen nun auf Rüstungsgüter umstellen, statt auf klimafreundliche und soziale Produkte wie Straßenbahnen. “Der Prozess, den Staatsanwalt Brunke hier anstrengte, ist ein trauriges Sinnbild für den aktuellen Stand unserer Gesellschaft. Konzernbosse reiben sich die Hände und Gewerkschaften applaudieren, wenn Industriebetriebe zu Rüstungsproduktionsstättem umgebaut werden. Konversion scheint da plötzlich einfach und möglich. Und quasi um diese Stimmung zu festigen, meint so ein Brunke noch, denen hinterhertreten zu müssen, die sich für eine soziale und ökologisch verträgliche Konversion bei Volkswagen eingesetzt haben. Eine solche Justiz spricht nicht die Stimme der Gerechtigkeit sondern ist politischer Akteur und ebnet die Wege für die Profiteure von Ausbeutung und Zerstörung.”
Es folgten mehrere Stunden Vernehmung diverser Polizei-Zeug_innen zu den verschiedenen Vorwürfen. Es ging viel darum, wer nun eigene Erinnerungen habe und wer nur aufgeschrieben hatte, was andere Kolleg_innen zu berichten wussten. Auch nach den sieben heute vernommenen Zeug_innen ist noch vieles unklar: Welche “Erkenntnisse” wollte die Polizei durch Überwachung des Klimacamps gewinnen und war das legal? Hat die Polizei den IG-Metall-Geschäftsführer persönlich besucht, um eine Unterschrift unter den Strafantrag zu bekommen? Es bleibt also spannend, was die weiteren Zeug_innen berichten werden mit denen es am 15.5. weitergeht, wie gehabt am Amtsgericht Wolfsburg um 9 Uhr.