Ist die Stadt Wolfsburg mehr als nur ein Fußabtreter von Volkswagen? Diese Frage könnte man sich durchaus stellen, wenn man beobachtet mit welcher Vehemenz die Wolfsburger Versammlungsbehörde gegen Proteste schießt, die den Autokonzern und das Autofahren selbst kritisieren. Zuletzt hat die Stadt eine seit langem geplante und angekündigte Fahrraddemo auf der A39 verboten. Die Fahrraddemo führt von Braunschweig über die A39 (Auffahrt Scheppau) nach Wolfsburg und endet auf dem geplanten Baugelände der VW-Trinity-Fabrik. Gemeinsam wollen Aktive aus dem A39-Widerstand und Aktivist*innen, die in Wolfsburg gegen den Bau der neuen Autofabrik protestieren mit einer Fahrraddemo den Zusammenhang zwischen den beiden Autowahnsinns-Projekten verdeutlichen und gemeinsam für eine echte Verkehrswende demonstrieren. Vor etwa einem Monat wurde die Fahrraddemo bei der Versammlungsbehörde angezeigt. Erst am Montag ludt die Stadt Wolfsburg zu einem „Kooperationsgespräch“ ein, dessen einziger Zweck darin bestand, dass die Stadt dem Anmelder der Fahrraddemo ein Verbot des Befahrens der A39 aussprach. Der Versammlungsanmelder merkte an, dass er den Begriff „Kooperationsgespräch“ anders verstehen würde und durchaus gewillt sei, auf konkrete Hinweise und Änderungen einzugehen. So schlug er etwa vor, über die Streckenabschnitte der A39 zu reden, ob zum Beispiel eine kürzere Strecke auf der Autobahn möglich wäre. Keine Person auf Seiten der Versammlungsbehörde oder der Polizei reagierte überhaupt auf diese Aussage. Es war von Beginn an klar, dass das am wenigsten milde Mittel, nämlich die totale Untersagung, das Ziel war.
Dieses Verhalten ist nicht neu, sondern zieht sich vielmehr wie ein roter Faden durch die Geschichte von Begegnungen zwischen der Stadt Wolfsburg und Verkehrswende-Aktiven. Seien es die Auseinandersetzungen um die Fahrraddemo auf der A39 im Jahr 2021, die illegale Versammlungsauflösung und Kesselung einer Demonstration in der Rothenfelder Straße 2020 oder zuletzt das Verfahren um ein Camp auf dem Trinity-Baugelände, welches ebenfalls von der Stadt Wolfsburg rechtswidrig verboten wurde (Az. 11 ME 284/22) – immer scheint es die höchste Bestrebung der Stadt Wolfsburg zu sein, die Proteste klein zu halten oder zu verhindern.
„In der Stadt Wolfsburg gibt es zwei Rathäuser. Eins südlich vom Mittellandkanal und eines nördlich. Und das im Norden gibt den Ton an“, sagte eine Person, die anonym bleiben möchte.
„VW spielt ein wildes Marionettenspiel hier in der Region. Die Fäden ziehen sich tief in die Stadtregierung und -verwaltung, bisweilen bis in die Gerichte hinein. Wir werden das nicht hinnehmen, die Machenschaften demaskieren und weiterhin hier in der Region für eine Verkehrswende streiten“, sagt Alex vom Trinity-Camp.
Gestern Abend hat der Anmelder der Fahrraddemo Klage beim Verwaltungsgericht Braunschweig gegen das Demoverbot eingereicht. Das VG wird im Eilverfahren darüber entscheiden.