Verkehrswendecamp – ein Fazit

Wer künftig Straßenbahnen baut, keine Arbeitsplätze klaut. Tut etwas, das allen nützt, die Umwelt und das Klima schützt.

Das Motto des Verkehrswendecamps war treffend gewählt. Die Klimabewegung arbeitet für die Sichtbarkeit der gemeinsamen Interessen mit den Lohnabhängigen. Der labour turn wird von der Klimabewegung vollzogen, sie sucht aktiv die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften und unterstützt Streikende. Wie sieht es anders herum mit dem climate turn aus? Versteht die Gewerkschaft inzwischen, dass der Klimawandel auch sie etwas angeht? Wie das geht, zeigt uns das „Collettivo di Fabbrica ex-GKN“. Mit der Dokumentation von labournet.tv begann das Camp am Freitag um 15 Uhr. Die Arbeiter der ehemaligen Achswellenfabrik GKN halten ihr Werk besetzt, kämpfen für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze und dafür, etwas ökologisch und sozial Sinnvolles produzieren zu können. Sie sagen, es gibt nur einen Kampf und suchen aktiv die Verbindung zur Klimabewegung.

„Unser Kampf hat nicht begonnen, indem wir über Umweltschutz geredet haben oder indem wir über Konvergenz und die Notwendigkeit gesprochen haben, die Kämpfe der Arbeiter und der Umweltbewegung zu verbinden, sondern wir haben aus unserer Erfahrung gelernt, dass beides notwendig ist. Die Verbindung zwischen Umweltbewegung und der Arbeiterbewegung ist nicht bloß eine abstrakte Notwendigkeit (das ist sie auch), sondern eine praktische Notwendigkeit. Sie ist die einzige Möglichkeit, die wir als Arbeiter haben, um tatsächlich unsere Rechte, unsere Arbeitsplätze und unsere Löhne zu verteidigen. Es gibt also nicht den ökonomischen Kampf der Arbeiterbewegung, der dann irgendwann durch einen seltsamen Altruismus auch zur Umweltbewegung wird. Es gibt nur einen Kampf. Für das Leben, für die Fähigkeit, vom eigenen Lohn zu leben, mit eigenen Rechten, mit der eigenen Zeit. Das Leben ist die Luft, die wir atmen, das Leben ist das Territorium, das wir durchqueren. Das Leben ist die Fähigkeit der Menschen, ihre Arbeitsplätze zu verteidigen, aber auch zu entscheiden: Wem nützt deine Arbeit? Welche Welt wird sie hinterlassen? In welcher Welt findet sie statt?“

Auch in Deutschland wurden GKN Werke geschlossen. 50.000 Arbeitsplätze in der Automobilbranche wurden bereits abgebaut. Niemand redet darüber. Auch bei der VW AG ist die Beschäftigungsbilanz negativ: Minus 1.000 Arbeitsplätze, hauptsächlich in der Produktion im Werk Wolfsburg, während die Gewinne der Aktionäre Rekordhöhen erreichen. Kommen die Interessen der Beschäftigten am Standort Wolfsburg in den Vorhaben des VW Konzerns vor? Batteriefabrik in Kanada, Milliarden Investitionen in China. Wann vollziehen die Beschäftigten von VW den climate turn?

Das Camp mitten in Wolfsburg

Beginnen wir mit dem Infostand hinter der Bushaltestelle, Anlaufstelle für Anreisende und Passanten, an dem so manche Diskussion mehr oder weniger hitzig von geführt wurde. Zugegeben, der Empfangsbereich hätte einladender sein können, doch mit der hochglanzlackierten Ausstattung von VW Veranstaltungen können und wollen wir nicht mithalten. Lag es vielleicht daran, dass die meisten Infos beim Bäcker nebenan über die Theke gingen? Ein Gruß an das Personal von Steinecke, das mit dem Brot auch die Antworten auf die Nachfragen der Kunden lieferte.

Mit unseren bescheidenen Mitteln wurde vieles auf die Beine gestellt:

mehr als 250 Teller gingen jeweils über den Tresen, gefüllt mit leckerem Essen aus der Küfa, der Küche für alle

7 Veranstaltungszelte boten Raum für mehr als 90 Workshops

Das Wetter war nicht besonders vorteilhaft. Die bisher größte Fahrraddemo, die Wolfsburg je erlebte,wurde vom Regen begleitet, auch für das Straßenfest war das Wetter ungünstig. Immer wieder nervte der Wind, der an den Zeltwänden zerrte. Doch Mittagspausen im Sonnenschein und das solidarische Miteinander sorgten allen Widrigkeiten zum Trotz für durchgehend gute Stimmung.

Mein Fazit nach nach 5 Tagen Programm:

Der Umbau von VW ist nicht beliebig, er ist unverzichtbar.

es gibt viel zu gewinnen
Klimaschutz, Mobilität für alle, sinnvolle Produktion = Arbeitsplätze

es gibt viel zu verlieren
unsere Lebensgrundlagen, Arbeitsplätze

Mit dem Management des VW Konzerns befinden wir uns auf der Verliererseite. Er folgt seinem Credo: Profit über alles! Ohne Rücksicht auf Zerstörung der Natur, Verschwendung der Ressourcen und Ausbeutung der Menschen. Ja, auch ohne Rücksicht auf die Interessen der Belegschaften in Wolfsburg.

Diese Ressourcen brauchen wir für eine Transformation, die gute Arbeit, Mobilität für alle und Klimaschutz vorantreibt.

Wir brauchen die Arbeitskraft, die Rohstoffe, die Produktionsmittel, den Einsatz aller für diesen Umbau.

Jeder Workshop mit Zahlen und Fakten zur Mobilität in Deutschland belegte dies in aller Deutlichkeit. Aus dem Workshop „Produktionsumbau“ mit Klaus Meier:

Das heutige öffentliche Verkehrssystem inklusive des schlecht ausgebauten Radnetzes ist viel zu klein, um den bisher von Autos getragenen Verkehr aufzunehmen. Überschlägige Rechnungen zeigen, dass der ÖPV von der Zahl der Transporteinheiten gegenüber heute um den Faktor zwei ausgeweitet werden muss. Das bedeutet u.a. eine deutliche Erhöhung der Taktzeiten und die Wiederinbetriebnahme von tausenden Kilometern Eisenbahn und Straßenbahn, die seit den 60-er Jahren zu Gunsten des automobilen Verkehrs bewusst kaputt gemacht wurden. Zur Umsetzung dieser großen Aufgabe müssen vor allem zwei Probleme gelöst werden. Zum Einen muss die Finanzierung abgesichert werden. Denn der Aufbau eines ökologischen Verkehrssystems ist nicht umsonst zu haben. Zum Anderen müssen die neuen Eisenbahnen, Busse und Stadtbahnen auch produziert werden können. Man braucht auch Produktionsstätten und ausreichend qualifizierte MitarbeiterInnen, die für den notwendigerweise schnellen Bau von Eisenbahnen und Straßenbahnen eingesetzt werden können. Die sind in den letzten Jahrzehnten zunehmend ausgedünnt worden. Verblieben sind in Deutschland als wesentliche Hersteller von Eisenbahnen und Straßenbahnen nur Siemens Mobility und der französische Alstom-Konzern. Die Produktionskapazitäten der Autoindustrie sind fast um das zwanzigfache größer als die des Eisenbahnsektors. Mit den verbliebenen Beschäftigten von Alstom und Siemens Mobility kann kein schneller Umbau zu einem ökologischen Verkehrssystem erreicht werden. Allerdings könnte ein großer Teil der heutigen Autoindustrie auf die Schienenfahrzeugproduktion umgestellt werden. Statt großer SUVs und spritfressender Verbrenner könnten dann bei VW, BMW, Ford und ihren Zulieferern Komponenten für öffentliche Verkehrsmittel, wie Eisenbahnen oder auch Busse, produziert werden. Die dort arbeitenden IngenieurInnen und ArbeiterInnen haben eine hohe Kompetenz in der Blechumformung, der allgemeinen Metallbearbeitung, der Maschinennutzung, der Montage und der Steuerungstechnik, die sie dazu befähigen.

Aus dem WorkshopWo klemmt‘s bei der Bahn?“ mit Lars.

„Über die Unsinnigkeit des Marktes“ wäre ein ebenso passender Titel gewesen. Denn die verschiedenen Betreiber auf unseren Gleisen behindern sich gegenseitig und sind ein Grund für Verspätungen. Z.B. kann ein liegen gebliebener Zug nicht abgeschleppt werden, weil die Lok, die das könnte, einem anderen Unternehmen gehört. Bis geklärt ist, unter welchen Bedingungen sie eingesetzt werden darf, vergeht viel Zeit. Hier könnten unzählige Beispiele genannt werden wie Personalabbau, Streckenabbau, Kaputtsparen der Infrastruktur …. Zusammenfassend kann gesagt werden: Der Markt regelt nichts. Die Verkehrspolitik war und ist verheerend. Von 2009 bis 2021 hatten CSU Verkehrsminister, deren Hauptaufgabe laut Seehofer darin bestand, Geld nach Bayern zu scheffeln, viel Zeit, die Reste der öffentlichen Verkehre zu dezimieren. Nicht minder zerstörerisch wirkt jetzt ein Verkehrsminister der FDP, der nur noch eines kennt, Autobahnbau.

Politik und Konzerne verschworen auf dem Highway to Hell!

Was tun? Mehr solche Camps, mehr Einmischung, mehr Konvergenz von Klimabewegung und Lohnabhängigen! Wir müssen das breite Potential in der Gesellschaft für Klimaschutz und funktionierende öffentliche Mobilität mit dem Kampf um den Erhalt der Fabriken verbinden. Wir brauchen die Fabrik für den Ausbau der öffentlichen Verkehre und den Erhalt der Arbeitsplätze.

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